Erasmus Schröter Prag . Ein letztes Lied

Prag . Ein letztes Lied

Im Herbst 1989 lebte ich schon vier Jahre lang in der Bundesrepublik. Meinen privaten Mauer­fall hatte ich im Jahre 1985 mit meiner Übersiedlung von Leipzig nach Hamburg erlebt. Die Bilder und Mythen jedoch, mit denen man in der DDR aufwuchs, spielten weiterhin eine ­Rolle in meiner fotografischen Arbeit. Im propagandistischen Stil der Schwarzweißfotografie der Nachkriegsjahre wollte ich eine Bildserie mit den extravaganten Kleidern der Leipziger Mode-designerin Gaby Frauendorf fotografieren. Nur fehlte mir noch ein Sowjetsoldat und ein T-34- Panzer. Den Darsteller für den Sowjethelden fand ich in meinem Freund, dem Berliner Schauspieler Andreas Leupold. Ein sowjetischer T-34-Panzer war allerdings in ganz Hamburg nicht aufzutreiben. Nach langer Suche fanden wir ihn im sozialistischen Prag. Am Rande der Stadt stand ein rostiges Modell des legendären Kriegsgerätes auf einer großen Wiese bereit, um in Kriegsfilmen eingesetzt zu werden. Ein guter Freund von mir arbeitete bei der tschechischen Filmproduktion. Mit seiner Hilfe hatten wir das graue Monster einen Tag für uns allein.

So entstand das Foto „Ein letztes Lied“, ein fotografischer Abschied von einer langsam untergehenden Epoche.