Claudia Jeczawitz Berlin, Potsdamer Platz

Berlin, Potsdamer Platz

Im Herbst 89 wohnte ich seit fünf Jahren in New York und arbeitete zwei Wochen im Monat in der Redaktionsvertretung des „Spiegel“. Ich hatte, wie alle meine europäischen Freunde, zunehmend das Gefühl, am falschen Ort zur falschen Zeit zu sein. Meine Familie war 1971 im Kofferraum eines amerikanischen Militärfahrzeugs über die Transitstrecke Magdeburg / Helmstedt nach Westberlin geflohen. In Berlin überschlugen sich jetzt die Ereignisse: Alte Freunde aus Ostberlin tauchten an unserer Wohnungstür auf, die Mauerspechte zerlegten die verhasste Berliner Mauer und man konnte sich frei hin- und herbewegen.

In den Wochen, in denen ich meinen „Spiegel“-Dienst machte, kamen ständig Interview­anfragen von verschiedenen US-Fernsehsendern, die froh waren, O-Töne in der eigenen Stadt zu haben. Als ich hörte, dass man als Kurierflieger für Airlines für 99 Dollar nach Frankfurt und zurück fliegen konnte, war ich im Zwei-Wochen-Rhythmus in Berlin. Um der Schnelligkeit etwas entgegenzusetzen, fotografierte ich mit meiner 9 ×12 Plattenkamera. Mich interessierten die symbolischen Orte, wie die Glienicker Brücke, der Potsdamer Platz, die Bernauer Straße. Orte, an denen sich ohne viel Publikum die Wende vollzog.

Die beiden unscharfen Vopos, die in den frühen Morgenstunden auf dem Potsdamer Platz stehen, wirken verloren, nicht greifbar. Sie sind da, aber gleichzeitig sind sie schon verschwunden.