Helfried Strauß Leipzig . Eröffnung der Ausstellung „Zeitzeichen“ im Museum der Bildenden Künste

Leipzig . Eröffnung der Ausstellung „Zeitzeichen“ im Museum der Bildenden Künste

Johannes Rau vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland am 09.11.1999:

Am 9. November 1989 war ich morgens in Berlin und abends in Leipzig. Heute ist das umgekehrt. Heute bin ich morgens in Leipzig und dann in Berlin, und beides hat miteinander zu tun.

Mir war wichtig, gerade heute der Synode der EKD ein Wort des Grußes zu sagen, weil ich die Erinnerung an diesen 9. November 1989 nicht wegwischen will und nicht wegwischen kann.

In Nordrhein-Westfalen, wo ich damals Ministerpräsident war, hatte eine Ausstellung von DDR-Kunst stattgefunden. Wir hatten einen mehrjährigen Streit darüber, ob auch wir, die Nordrhein-Westfalen, eine Ausstellung hier machen dürften. Die Eröffnung dieser Ausstellung unter dem Thema „Zeitzeichen“ fand am 9. November 1989 in der Oper in Leipzig statt. Die Cappella Coloniensis spielte. Ich hielt eine Rede über kulturpolitische Fragen. Da wurde mir ein Zettel gereicht, und hier sind viele, denen es auch schon passiert ist, dass Zettel gereicht werden: „Bürgermeister noch begrüßen!“ und, was da immer so draufsteht. Manchmal steht auch drauf: „Bitte stark betonen, da Argument schwach!“ Auf dem Zettel, den ich während der Rede bekam – ich sprach gerade über lippische Sonderheiten in der Kulturpolitik – stand: „Die Mauer ist auf“. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich wusste nicht, was das hieß. Ich wusste nicht: Soll ich die Rede zu Ende halten, soll ich sie kürzen, soll ich das vorlesen? Ich werde das nicht vergessen. Ich hätte heute gerne Bruder Magirius gehört; denn wir haben die Tage vom 9. bis zum 12. November hier miteinander verbracht. Ich komme auch heute noch nicht aus dem Staunen über die Menschen in Leipzig damals heraus, die einen umarmten, die weinten, die fragten, was das heißt und wohin das führt. Ich wünschte uns, wir würden etwas behalten von dem Gespannt-Sein, was denn die neue Situation uns Deutschen schenken könnte.

(Aus: Grußwort vor der Synode der EKD in Leipzig, Internet)