Peter Oehlmann Stonehenge . Time shift

Stonehenge . Time shift

Es hatte zu nieseln begonnen, als der Japaner an mir vorbeeilte. Er lief vornübergeneigt, bestrebt, den Anschluss an seine Reisegruppe nicht zu verlieren. Als er den Arm hob, um auf die Uhr zu schauen, nahm ich die Kamera hoch. Natürlich verriss ich das Bild. Heute erscheint es mir wie ein Spiegel der Absurdität meiner damaligen Situation.

Eine kleine Londoner Galerie zeigte unsere Ausstellung „Protokoll Strekken – Bilder aus dem gesellschaftlichen Leben“ und hatte Jens Rötzsch und mich eingeladen. Der Reiseantrag beim Künstlerverband war eher als Provokation gedacht. Auf eine Bewilligung hatten wir zwar gehofft, aber nicht daran geglaubt – es gibt schlimmere Fehleinschätzungen.

Da waren wir also in England. Wir finanzierten unseren Aufenthalt mit Vorträgen, kamen viel herum und hatten interessante Begegnungen. Die Ereignisse in der DDR hätten inzwischen eine unerwartete Dynamik entwickelt, sagte eine BBC-Sprecherin. Wir sahen die Nachrichten aus diesem Land, und ich hatte Mühe zu begreifen, dass es das eigene war.

Unwirklich. Das ist der Begriff, der mir einfällt, wenn ich an diese Zeit denke. Unwirklich schien mir der Flächenbrand der Montagsdemos aus einer fremden Nachrichtenperspektive, unwirklich, dass mein kleines, gänzlich uncharismatisches Heimatland plötzlich zum Gegenstand von Sondersendungen der großen Nachrichtenkanäle wurde. Unwirklich, dass ich nicht dabei war.

Ich war ein passiver, distanzierter Beobachter von Ereignissen, die mich angehen sollten, vollauf damit beschäftigt, auf all die neuen Eindrücke zu reagieren, denen ich hier ausgesetzt war.

Als ich zurückkehrte, war mein Land ein anderes geworden. Ich war ein wenig aus der Zeit gefallen, wie der Japaner vor den ‚standing stones‘.