Geleitwort

1989 war das Jahr der großen Freiheitsrevolution in Europa. Den mutigen ­Bürgerinnen und Bürgern in der damaligen DDR, die mit den Rufen „Keine Gewalt“, „Wir sind das Volk“, „Wir sind ein Volk“ ein neues Kapitel in der Freiheitsgeschichte Europas und Deutschlands aufgeschlagen haben, verdanken wir, dass es zu einer europäischen Freiheitsrevolution kam. Diesmal waren Deutsche auf der richtigen Seite dabei, als es um die Freiheit ging.

Eine solche Geschichte wird erst lebendig durch die Wiedergabe der Erinnerungen Einzelner. Denn in den Einzelschicksalen vollzog sich der historische Prozess jenes Jahres. Vielfältig war das Eintreten für Freiheit und Bürgerrechte.

Die Flüchtlinge in den deutschen Botschaften in den sozialistischen Ländern ­Europas trugen auf ihre Weise dazu bei, dass Europa und Deutschland friedlich wiedervereinigt werden konnten. Sie machten es möglich, dass Ungarn am 10. September 1989 die Öffnung der Grenzen nach Westen erlaubte – damals noch gegen ­heftigsten Protest aus Ost-Berlin. Und am 30. September öffneten sich auch die Tore der Botschaft in Prag nach außen. Diesmal mit Zustimmung der DDR-Führung. Das war eine historische Kehrtwende, es wurde zum unübersehbaren und unüberhörbaren ­Signal. Die Zeit der Mauer ging ihrem Ende entgegen. So haben die Flüchtlinge in der ­Prager Botschaft Geschichte geschrieben, auch friedlich. Wie schwer es war, beweisen die Schilderungen unseres damaligen Botschafters in der CSSR, Hermann Huber. Ihm, seiner französischen Frau und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Botschaft und genauso den beteiligten Angehörigen des DRK möchte ich meinen ausdrück­lichen Dank aussprechen für ihre Menschlichkeit und Einsatzbereitschaft. Die ­deutschen Botschaften in den sozialistischen Ländern Europas taten alles, um unseren deutschen Landsleuten die Ausreise zu ermöglichen. Auf das Ansinnen aus Ost-Berlin, unsere Botschaften zu schließen, antwortete ich, dass ich nicht bereit sei, die Mauer auch noch vor unseren Botschaften zu errichten.

Jeder wird verstehen, dass mein damaliges Ringen am Rande der UN-Vollversammlung in New York um die Zustimmung der DDR-Führung zur Öffnung der Botschaft in Prag und schließlich mein Besuch in der Botschaft und die Bekanntgabe der Ausreisegenehmigung am Abend des 30. September zu den eindrucksvollsten und ­bewegendsten Ereignissen meiner langjährigen Arbeit als Mitglied der Bundesregierung gehören. Die westliche Politik konnte den Rahmen schaffen. Zum Einsturz haben die Mauer die Deutschen aus der DDR gebracht.

Bonn, im Juli 2009
Bundesminister a.D. Hans-Dietrich Genscher